27 C 170/11
Verkündet am 06.09.2011

Schüller
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

AMTSGERICHT ESCHWEILER

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat das Amtsgericht Eschweiler

auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2011
durch die Richterin Kropp

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteiit, an die Klägerin 2.460,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.06.2009 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich Rechtsanwaltskosten, von 272,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2011 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand:

Die Klägerin wurde von dem Beklagten in einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Düren (Az. 46 C 107/10) anwaltlich vertreten.

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Prozessführung in Anspruch.

Hintergrund des Verfahrens vor dem Amtsgericht Düren war ein Verkehrsunfall vom 04.06.2009, in den die Klägerin verwickelt wurde und für den die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, die Allianz Versicherung AG, einzustehen hatte. Nach außergerichtlichen Zahlungen klagte die Klägerin den Restbetrag vor dem Amtsgericht Düren ein.

Zwischen den Parteien des damaligen Verfahrens bestand unter anderem Streit über den für das klägerische Fahrzeug anzusetzenden Restwert.

Die Klägerin holte unmittelbar nach dem Unfallgeschehen ein Gutachten des Sachverständigen Diefenthal ein. In dem Gutachten vom 08.06.2009 bezifferte der Sachverständige den Restwert des Fahrzeugs mit 3.600,00 EUR. In Kenntnis der Bezifferung verkaufte die Klägerin das Fahrzeug am 09.06.2009 für diesen Preis an die Firma Auto K…., wo sie auch ein Ersatzfahrzeug erwarb.

Nach Abschluss Kaufvertrags übermittelte die Allianz Versicherung AG der Klägerin unter dem 29.06.2009 ein Restwertangebot über einen Betrag in Höhe von 6.060,00 EUR. Diesen Betrag brachte die Allianz Versicherung AG auch bei der außergerichtlichen Berechnung des Regulierungsbetrags in Abzug.

Das Amtsgericht Düren wies die Klage, die auf Zahlung des Differenzbetrags von (6.060,00 EUR – 3.600,00 EUR -) 2,460,00 EUR gerichtet war, ab mit der Begründung, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, vor dem Verkauf des Fahrzeugs der Allianz Versicherung AG Gelegenheit zur Unterbreitung eines eigenen Restwertangebots zu geben.

Der Beklagte riet der Klägerin von einer Berufung gegen das Urteil des Amtsgericht Düren vom 09.11.2010 ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Rat des Beklagten keine Berufung einzulegen sei falsch gewesen. Die Auffassung des Amtsgerichts Düren, dass die Klägerin sich auf das nachträgliche günstigere Angebot der Allianz Versicherung AG habe verweisen lassen müssen sei falsch gewesen. Die Klägerin als Geschädigte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Schädiger das Gutachten zu schicken und mit der Verwertung zu warten bis der Schädiger die Gelegenheit gehabt habe, ein eigenes Restwertangebot zu unterbreiten. Letztlich hätte die Klägerin sich auf das vorgelegte Restwertangebot auch deshalb nicht einlassen müssen, weil es sich nicht um eines des regionalen Marktes gehandelt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.460,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.06.2009 zu zahlen,

den Beklagten weiter zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 272,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Düren nicht zum Erfolg geführt hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

  1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch gern, §§ 675, 280 Abs. 1 BGB auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 2.460,00 EUR.
  2. Zwischen den Parteien bestand ein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne der §§ 611, 675 BGB in Form eines anwaltlichen Mandatsauftrags.
  3. Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis in zu vertretender Weise verletzt.

Der Beklagte hat der Klägerin in pflichtwidriger Weise nicht zur Einleitung des Berufungsverfahrens geraten.

Entscheidend für die Entscheidung des Regressverfahrens ist, wie das Vorverfahren nach Auffassung des mit dem anwaltlichen Schadenersatzanspruch befassten Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen.

Das erkennende Gericht ist der Auffassung, dass die Klägerin mit ihrer Klageforderung gegen die Allianz Versicherung AG hätte durchdringen müssen.

Das erkennende Gericht ist nicht der Auffassung, dass die Klägerin sich bei der Regulierung des Unfallschadens das von der Allianz Versicherung AG nach dem Verkauf des Fahrzeugs unterbreitete Restwertangebot hätte entgegenhalten lassen müssen.

Im Zusammenhang mit der Regulierung von Unfallschäden muss sich der Geschädigte bei der Schadensbehebung gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Rahmen des ihm Zumutbaren halten und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg wählen (ständige Rechtsprechung des BGH, beispielhaft BGHZ 115, 364 f f; 163, 362 ff ; VersR 2005, 381).

Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen genüge und bewegt sich in den, für die Schadensbehebung durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen, Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Fahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. z.B. BGHZ 143, 189 ff.; VersR 2007, 1243f ; VersR 2010, 130 ff,; BGH Urteil vom 01,06.2010, VI VZ 316/09, zitiert nach juris).

Innerhalb dieser Grenzen hat die Klägerin sich hier gehalten. Unstreitig wurde das Fahrzeug zu dem, von dem von der Klägerin beauftragen Sachverständigen Diefenthal, ermittelten Restwert von 3.600,00 EUR veräußert.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist nicht darin zu sehen, dass die Klägerin vor der Veräußerung des Fahrzeugs der Allianz Versicherung AG nicht die Gelegenheit gab, ein günstigeres Restwertangebot zu unterbreiten.

Veräußert der Geschädigte sein Fahrzeug zu dem von dem Gutachter ermittelten Restwert, ohne abzuwarten, ob der Haftpflichtversicherer ihm ein höheres Kaufangebot übermittelt, verstößt er in der Regel nicht gegen seine Schadensminderungspflicht (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2005, I-1 U 128/05, zitiert nach juris).

Die überwiegende Rechtssprechung, der sich auch das erkennende Gericht anschließt, verneint eine Verpflichtung des Geschädigten vor der Veräußerung des Fahrzeugs das eingeholte Gutachten dem gegnerischen Versicherer zur Kenntnis zu bringen (vgl. z. B. BGH NJW 1993, 1849fr; OLG Düsseldorf, a.a.O.; LG Konstanz, Urteil vom 17.06.2005, 61 S 2/05, zitiert nach juris).

Der Geschädigte ist Herr des Restitutionsgeschehens. Damit ist ihm nicht nur die Entscheidung des „Obs“ der Verwertung, sondern auch die des „wann“ überlassen (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Danach musste die Klägerin im vorliegenden Fall vor der Veräußerung des Wagens zu dem von dem Gutachter angegebenen Restwert nicht der Allianz Versicherung AG noch Gelegenheit zur Unterbreitung eines höheren Restwertangebots geben (so auch AG Stuttgart, Urteil vom 16,09.2010, 44 C 3637/10; AG Bochum Urteil vom 25.09.2008, 47 C 184/08, zitiert nach juris).

Etwas anderes hätte sich nach der Rechtsprechung dann ergeben können, wenn der Klägerin das höhere Restwertangebot der Allianz Versicherung AG vor der Veräußerung des Wagens vorgelegen hätte. Ein entsprechender Fall lag auch der von beiden Parteien zitierten Entscheidung des BGH vom 01.06.2010 (VI ZR 316/09) zugrunde. Hätte der Klägerin vor der Veräußerung des Fahrzeugs das Angebot der Allianz Versicherung AG bezüglich des Restwerts vorgelegen, hätte sie sich – sofern ihr die Annahme dieses Angebots nicht aus anderen Gründen unzumutbar gewesen wäre- unter Umständen hierauf verweisen lassen müssen.

Aus den oben dargelegten Umständen und aufgrund der hier vorliegenden Sachverhaltkonstellation lag ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht aber nicht vor.

Der Beklagte wäre bereits gehalten gewesen, zur ordnungs- und pflichtgemäßen Mandatsbearbeitung die entsprechenden Beispiele aus der Rechtsprechung im Verfahren vor dem Amtsgericht Düren vorzutragen.

Jedenfalls hätte er nach dem klageabweisenden Urteil aber der Klägerin zur Durchführung des Berufungsverfahrens raten müssen.

Es ist auf der Grundlage der diversen Beispiele aus der Rechtssprechung hinreichend wahrscheinlich, dass die Klägerin jedenfalls im Berufungsverfahren mit ihrem Begehren durchgedrungen wäre.

Der Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten.

  1. Der Klägerin ist durch die fehlerhafte Beratung ein Schaden in Höhe von 2.460,00 EUR entstanden. Der Schaden ist der Höhe nach unstreitig,
  2. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist begründet gem. §§ ? 86, 288 BGB.

III. Die Klägerin hat gegen den Beklagten ferner einen Anspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 EUR.

  1. Der Zinsanspruch ist begründet gem. § 291 BGB.
  2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert: 2.430,00 EUR

Kropp

Quelle: Urteil des Amtsgericht Eschweiler vom 06.09.2011, Az.: 27 C 170/11

Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.