Mit Entscheidung vom 28.10.2009 (22 S 75/09) hat das Landgericht Weiden das Urteil des AG Weiden (2 C 491/09) abgeändert und die HUK-Coburg Versicherung zur Erstattung restlicher Reparaturkosten im Rahmen der fiktiven Abrechnung verurteilt. Das hier zuständige Landgericht stützt sich in der Begründung sowohl auf das ”Porsche-Urteil” (VI ZR 398/02) als auch auf die neueste Entscheidung des BGH (VI ZR 53/09).
Aus den Gründen:
Endurteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 29.07.2009 abgeändert.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.463,79 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 13.03.2009 zu bezahlen sowie die Klägerin in Höhe eines Betrages von 156,50 Euro an vorgerichtlichen Kosten freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.463,79 € festgesetzt.
Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststeilungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe, des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Klägerin weiterhin die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung des Differenzbetrages in Höhe von 1.463,79 €, der sich im wesentlichen aus den vom Sachverständigen … in seinem Gutachten vom 28.02.2009 zugrundegelegten Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstätte und der von der Beklagten im Rahmen der Schadensregulierung zugestandenen Stundensätze einer nach ihrer Darstellung gleichwertigen Fachwerkstatt ergibt.
Die Kammer hat im Berufungsverfahren keinen Beweis erhoben.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet und führt zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Beklagte ist der Klägerin zur Zahlung der mit der Klage geltend gemachten 1.463,79 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 13.03.2009 verpflichtet. Des weiteren hat die Beklagte die Klägerin in Höhe eines Betrages von 156,50 Euro von vorgerichtlichen Kosten freizustellen.
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Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen denParteien unstreitig. Der Umfang der Schadensersatzpflicht bestimmt sich nach den §§ 249 ff BGB.
Auszugehen ist vom Grundsatz der Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte im Fall der Beschädigung einer Sache stattdessen den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Geschädigte ist in der Verwendung des ihm zustehenden Ersatzbetrages frei. Insbesondere ist der Geschädigte nicht verpflichtet, den Schadensersatz tatsächlich zum Zweck der Reparatur der beschädigten Sache einzusetzen. Vielmehr darf er – in den Grenzen des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB – eine rein fiktive Abrechnung auf der Grundlage einer durch Sachverständigengutachten festgestellten Reparaturkostenschätzung vornehmen und hierbei auch die in einer Markenwerkstatt in Ansatz gebrachten, üblicherweise über dem Preis eines freien Werkstatt liegenden Kosten zur Schadensberechnung ansetzen (vgl. BGH VI ZR 398/02 ; Urteil vom 29.04.2003).
Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Doch genügt im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, den konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Bei den Bemühungen um eine Wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers einen möglichst vollständigen Schadensausgleich zukommen zu lassen (vgl. BGH VI ZR 398/02 ; Urteil vom 29.04.2003, NJW 2003, 286 ff).
Zwar hat der Bundesgerichtshof in der bereits zitierten Entscheidung vom 29.04.2003, dem sogenannten “Porsche-Urteil”, zugleich angemerkt, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Dazu müssen jedoch grundsätzlich deren tatsächliche Voraussetzungen festgestellt werden. Der Sch ä diger muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine Reparatur in der von ihm benannten Werkstatt vom Qualit ä tsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Ob die allgemeinen Ausführungen des Sachverständigen R. in erster Instanz zu diesem Thema diesen Anforderungen genügen, insbesondere ob dadurch bereits nachgewiesen ist, dass die von der Klägerin genannten konkreten Fachwerkstätten die gegebenenfalls vorzunehmende Reparatur “gleichwertig” durchgeführt hätten, kann aus Sicht der Kammer im vorliegenden Fall letztlich jedoch dahingestellt bleiben. Nach Auffassung der Kammer ist die Behauptung der Beklagten, dass diese Fachwerkstätten dazu in der Lage gewesen wären, von der Klägerin nicht unsubstantiiert bestritten worden. Die Beklagte hat dafür, dass diese Fachwerkstätten tatsächlich zur ordnungsgemäßen Durchführung der im konkreten Fall erforderlichen Reparatur in der Lage wären, lediglich pauschal Sachverständigenbeweis angeboten. Ausführungen dazu, wie diese Fachwerkstätten organisiert sind, über welche qualifizierten Mitarbeiter sie verfügen, ob in diesen Fachwerkstätten Originalersatzteile des Herstellers des verunfallten Fahrzeugs verwendet werden etc. hat die Beklagte nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt. Insoweit – da der Sachvortrag der Beklagten insoweit wenig spezifiziert erfolgt ist – genügt aus Sicht der Kammer das einfache Bestreiten seitens der Klägerin, dass diese Werkstätten dazu in der Lage wären, eine ordnungsgemäße Reparatur durchzuführen.
Im vorliegenden Fall ist dieser Nachweis seitens der Beklagten jedoch nicht zu führen; da die Klägerin schon aus einem anderen Gesichtspunkt Anspruch auf Erstattung des Differenzbetrages hat. Der Bundesgerichtshof hat in seiner neuesten Entscheidung (vgl. Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09} festgestellt, dass es dem Geschädigten, auch wenn der Schädiger darlege und nachweise, dass eine (konkrete) “freie Fachwerkstatt” eine Reparatur durchführen könne, welche vom Qualitätsstandard her der Reparatur einer markengebundenen Fachwerkstatt entspreche, gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein könne, sich auf eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt verweisen zu lassen. Dies gelte insbesondere, wenn das verunfallte Fahrzeug nicht älter als 3 Jahre sei. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen müsse sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf andere Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnte.
Auch bei älteren Kraftfahrzeugen könne es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Geschädigte konkret darlege, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt habe warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belege.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass der Hersteller des verunfallten Fahrzeugs für das unfallgeschädigte Fahrzeug bis zu 48 Monaten eine Lack- und Rostgarantie gewährt. Diese Garantie war zum Zeitpunkt, als der Unfall geschah bzw. als der Anspruch gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurde, noch nicht abgelaufen. Aus Sicht der Kammer führt dieser Umstand dazu, dass es für die Klägerin unzumutbar ist, sich auf eine alternative, kostengünstigere Fremdwerkstatt verweisen zu lassen. Wie sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.10.2009 ergibt, ist die Grenze von 3 Jahren, die der BGH im Zusammenhang mit der unzumutbaren Verweisung auf alternative Reparaturwerkstätten erörtert hat, nicht als absolut anzusehen; vielmehr ist stets eine Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
Aus Sicht der Kammer ändert auch der Umstand, dass zwischenzeitlich diese Herstellergarantie wohl abgelaufen sein dürfte, nichts an der Unzumutbarkeit der Verweisung auf die alternative Reparaturmöglichkeit für die Klägerin. Entscheidend ist aus Sicht der Kammer, dass spätestens zum Zeitpunkt, zu dem der Anspruch geltend gemacht wird, diese Garantie noch besteht. Zu diesem Zeitpunkt muss aus Sicht der Kammer die Dispositionsfreiheit des Geschädigten, ob er es bei der fiktiven Schadensberechnung auf Gutachtensbasis belässt bzw. ob er die Reparatur tatsächlich durchführen lässt und anschließend noch die Umsatzsteuer geltend macht, gewährleistet sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn, wie vorliegend, dadurch bestimmte Herstellergarantien gefährdet wären oder auch bei der späteren Inanspruchnahme von Kulanzleistungen Schwierigkeiten entstehen könnten.
Dem Berufungsbegehren war deshalb in vollem Umfang stattzugeben.
- Die Kostenentscheidung für den Rechtsstreit ergibt sich aus der Vorschrift des § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift des § 713 ZPO.
Quelle: Urteil des LG Weiden vom 28.10.2009, Az.: 22 S 75/09