Geschäftsnummer:
12 C1392/06
verkündet am: 14.12.2006Epple
Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Amtsgericht Nürtingen
Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hier: Höhe fiktiver Reparaturkosten

hat das Amtsgericht Nürtingen

durch den Richter am Amtsgericht Flogaus

auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2006

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 522,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisiszinssatz hieraus seit dem 1.7.2006 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
  4. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Streitwert: 522.05 €.

Von der Erstellung eines Tatbestandes wurde gem. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in der Hauptsache in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der Nettoreparaturkosten laut Gutachten H…. von 3.959,40 €. abzüglich der von Beklagtenseite bezahlten 3.437,35 € also noch 522,05 €.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29.4.2003 – VI ZR 398/02 – hat ein Geschädigter eines Verkehrsunfalls auch bei fiktiver Reparaturkostenabrechnung Anspruch auf den Ersatz der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt. Wie der Sachverständige S…. in der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2006 ausführte, sind die vom Sachverständigen H….. zugrunde gelegten Sätze für eine VW-Werkstatt nicht zu beanstanden, vielmehr sind die Stundensatze der ortsansässigen Firma Ramsperger in Nürtingen sogar noch erheblich höher.

Zwar hat die Beklagte selber ein Gutachten der für die Versicherungswirtschaft tätigen HP Claim Controlling GmbH aus Leipzig vorgelegt, das mit geringeren Stundensätzen arbeitet und zu Nettoreparaturkosten von lediglich 3.437,35 € kommt. In diesem Gutachten sind 5 Werkstätten, nämlich die Fa. Karosseriebau H….. T…… aus Filderstadt, die Fa. S…. S…… aus Metzingen, die Fa. Karosseriebau H…… GmbH aus Steinenbronn, die Fa. W….. K….. aus Kusterdingen und die A….. GmbH aus Stuttgart, aufgeführt, die in diesem Preisniveau reparieren würden. Die Beklagte beruft sich auf die Anmerkung des BGH, der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit habe, müsse sich auf diese verweisen lassen.

Bei den angebotenen Reparaturmöglichkeiten handelt es sich jedoch nicht um gleichwertige. Zum einen ist es ein Unterschied, ob ein Fahrzeug in einer markengebundenen, hier also VW-Werkstatt, repariert wird oder bei einer anderen Werkstätte, die nicht spezioll auf die Fahrzeuge des Typs VW spezialisiert ist. Zum anderen und insbesondere handelt es sich bei den aufgeführten Werkstätten ersichtlich um solche, die eine Vielzahl von Aufträgen seitens der Versicherungswirtschaft erhalten. Kein Geschädigter ist aber verpflichtet, sich auf eine Reparaturmöglichkeit verweisen zu lassen, die eine mit der Versicherungswirtschaft und damit auch mit der Versicherung seines Schädigers geschäftlich verbundene Autowerkstätte anbietet.

Wie sich aus dem vom Klägervertreter vorgelegten Ausdruck der Internetseite der Fa. L……. GmbH aus Duisburg ergibt, handelt es sich nämlich bei den E……..-Fachbetrieben um von Versicherer anerkannten Karosserie-Fachbetriebe, die als Vertrauens- bzw. Partnerbetriebe mit vielen großen Versicherern digital vernetzt sind. Allein bei drei der fünf aufgeführten Werkstätten, nämlich der Karosseriebau H…… GmbH aus Steinenbronn, der Karosseriewerkstatt K…. aus Kusterdingen und der A…. GmbH aus Stuttgart, handelt es sich um E……-Fachbetriebe, die aufgrund ihrer geschäftlichen Verbundenheit mit Versicherern wie der Beklagten es sich gar nicht erlauben können, auf Gutachten wie das der HP Claim Controlling GmbH im vorliegenden Fall ablehnend zu reagieren. Auch bei der Fa. S…. S….. aus Metzingen handelt es sich um einen M…..-Fachbetrieb, der mit Versicherungen ständig zusammenarbeitet. Die einzige der fünf vorgeschlagenen Firmen, bei der dies nach außen hin nicht so offensichtlich ist, ist die Fa. T….. in Filderstadt. Zum einen handelt es sich aber hier ebenfalls um keine VW-Markenwerkstatt, zum anderen muss angenommen werden, dass auch diese Firma einen beträchtlichen Anteil ihrer Aufträge von der Versicherungswirtschaft bekommt.

Auf die – nach Ausführungen des Sachverständigen S….. sogar weit unter dem Durchschnitt aller Fachwerkstätten liegenden – Stundensätze dieser Firmen braucht sich der Kläger nicht verweisen zu lassen, sondern er hat Anspruch auf die Sätze einer VW-Markenwerkstatt.

Der Kläger braucht sich nach der Rechtsprechung des BGH, der das Gericht folgt, auch nicht auf die durchschnittlichen Stundensätze einer Fachwerkstatt verweisen zu lassen, die im vorliegenden Fall, wie der Sachverständige S….. ausgeführt hat, zu Reparaturkosten von 3733,50 € netto führen würden.

Die Berechtigung dieser Rechtsprechung des BGH ist gerade im vorliegenden Fall gut zu erkennen. Wäre nämlich eine Reparatur zu den durchschnittlichen Sätzen einer Fachwerkstatt durchgeführt worden, hätte die Beklagte 3733,50 € zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt also 4330,86 € und damit wesentlich mehr als die vom Kläger beanspruchten 3959,40 €, ersetzen müssen. Der Kläger hätte aber sogar das Recht gehabt, sein Fahrzeug auf Kosten der Beklagten bei einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Wenn nun die Beklagte in der Lage wäre, durch Benennung von wirtschaftlich abhängigen Reparaturbetrieben den Schadensersatz betrachtlich zu drücken, wäre dies ein unvertretbares Ergebnis.

Aus dem Betrag von 522,05 € kann der Kläger auch wie beantragt die gesetzlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, § 288 Abs. 1 BGB, verlangen, allerdings hat er nicht begründet, warum ihm Zinsen ab 30.4.2006 zustehen sollen, so dass ihm erst die Zinsen ab Rechtshängigkeit, § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB, also ab 1.7.2006, zugesprochen werden können.

Einfluss auf die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten hat dies jedoch wegen § 92 Abs. 2 ZPO nicht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 und 713 ZPO.

Gründe zur Zulassung der Berufung bestehen nicht, nachdem die Entscheidung des BGH vom 29.4.2003 nach wie vor gilt und auch vom BGH nicht korrigiert wurde.

Flogaus
Richter am Amtsgericht

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